Heidelberg, Dezember 2016 - Ein Bypass für eine der wichtigsten Verkehrsadern der Schifffahrt: Das Westende des Nord-Ostsee-Kanals erhält mitten zwischen den bereits vorhandenen Schleusen eine fünfte Schleusenkammer. Feinarbeit und die richtige Betonmischung sind auf der Baustelle gefragt.
Bauforum24 Artikel (14.10.2016): Beton ohne magnetische Wirkung
Die neue Schleusenkammer wird ganze 20 Meter länger sein als die bisherige Große Schleuse
Der Nord-Ostsee-Kanal soll die meistbefahrene künstliche Seeschifffahrtsstraße weltweit sein. In Brunsbüttel überwinden je zwei Doppelkammer-Schleusen den Höhenunterschied des Wasserstands von Elbe und Ostsee. Nun müssen sie dringend Instand gesetzt werden. Eine Arbeit, die Jahre in Anspruch nehmen wird. In dieser Zeit sollte keine der wichtigen Verkehrsadern ausfallen,daher wird ein Bypass in Form einer fünften Schleusenkammer gebaut. Das neue Bauwerk soll Platz auf der Insel zwischen der bisherigen so genannten Kleinen und Großen Schleuse finden. Bei ihrem Bau ist lt. HeidelbergCement besondere Behutsamkeit geboten, denn die vorhandenen Schleusen in unmittelbarer Nähe dürfen nicht beeinträchtigt oder gar beschädigt werden. Große Erschütterungen müssen vermieden werden.
Dementsprechend begannen die Arbeiten an der Baugrube nicht herkömmlich mit dem Bau gerüttelter oder gerammter Spundwände, sondern mit der Errichtung vertikaler Schlitzwände. Dieses Spezialverfahren zur Herstellung von Schleusen- und Uferwänden soll die Erschütterungen des Bodens so gering wie möglich halten: Ein Spezialgreifer hob dazu den Boden über eine Breite von 1,20 Meter und eine Länge von jeweils acht Metern (in drei Stichen) lotrecht bis zu 40 Metern Tiefe aus, während gleichzeitig eine tonhaltige Suspension, das Tonmineral Bentonit, als Stützflüssigkeit in den entstehenden Schlitz gepumpt wurde. Diese sollte das Einstürzen des Schlitzes verhindern. In ihn konnten dann die Schlitzwandlamellen überlappend eingestellt werden. Eine absolute Präzisionsarbeit, da die einzelnen Schlitzwandlamellen lotrecht eine durchgehende Wand bilden müssen.
Vorbereitende Abdichtungsarbeiten, die vor dem Aushub der Baugrube zum Bau der fünften Schleusenkammer notwendig sind
War der Schlitz bis auf die erforderliche Tiefe ausgehoben, wurde der Spundwandfuß durch Zugabe von Spezialzement in die untere Stützwandflüssigkeit betoniert. Auf ihn wurden dann die 40 Tonnen schweren Trag- und die Füllbohlen abgestellt. Durch weitere Zugabe von Zement in die noch vorhandene Stützwandflüssigkeit bei fortlaufendem Austausch entstand ein Gemisch im Wandschlitz, das beim Aushärten eine tragfähige Stützung der Trag- und Füllbohlen sicherstellte. Umfangreiche Messanlagen kontrollierten die ganze Zeit über eventuelle Auswirkungen auf die benachbarten Schleusen, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu garantieren.
Auch bei der Verankerung der Schleusenkammer im Boden ging man einen Sonderweg, um Erschütterungen des Erdreiches nach Möglichkeit zu vermeiden: Mit schrägen, sogenannten Düsenstrahlpfählen wurden ihre Wände gegen den Erd- und Wasserdruck gesichert. Bei diesem Hochdruckinjektionsverfahren (HDI-Verfahren) bohrten Facharbeiter mit Hilfe eines Bohrgerätes per Überlagerungsbohrverfahren ein 244 Millimeter großes Loch 30 bis 40 Meter tief in den Boden. Im zweiten Schritt düsten sie mit dem HDI Gerät über Hochdruckschläuche und ein spezielles Düsengestänge eine Zementsuspension mit rund 400 Bar ins Erdreich. Dabei wird der Boden erodiert und Zement eingebracht – alles per Computer gesteuert. Der Düsenstrahl schneidet den Boden auf und die Suspension vermischt sich mit dem Untergrund – in Brunsbüttel waren dies Sande mit Kies – und wird zum so genannten Düsenstrahlkörper. Dieser soll etwa sieben Meter lang sein und hat einen Durchmesser von 1,10 Metern. Noch vor dem Aushärten wurden in ihn die Zugglieder aus geripptem Rundstahl eingebaut und das Bohrloch mit Spezialzementsuspension verfüllt.
Auf der aktuell größten Wasserbaustelle kommen auch so genannte Dichtwandgreifer zum Einsatz (im Vordergrund), zum Beispiel beim Bau von Schlitzwänden
In der Schleusenkammer sollen 1.690 solcher Anker geplant sein. Da sie mindestens die kommenden 100 Jahre halten sollen, stellt die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) an sie hohe geometrische und materialtechnische Anforderungen. Bereits im Vorfeld soll daher die bauausführende Arbeitsgemeinschaft (ARGE) „Neubau 5. Schleusenkammer Brunsbüttel“ eine Reihe von Probepfählen angefertigt haben. Sebastian Grote, Bauleiter der ARGE, erklärt: „Hier gibt es keine Standardlösung. Bei den Probebohrungen haben wir Herstellparameter wie Pumpendruck, Pumpmenge, Umdrehungs- und Ziehgeschwindigkeit des Düsengestänges in enger Abstimmung mit BAW und Wasser- und Schifffahrtsamt immer wieder angepasst, um die geforderte Qualität und Langlebigkeit in den Böden vor Ort zu erreichen.“
In fünf Jahren soll der Bypass gesetzt und die fünfte Schleusenkammer fertiggestellt sein. Dabei soll sie mit einer Länge von 350 Metern ganze 20 Meter länger als die bisherige Große Schleuse sein und damit noch größeren Schiffen die beliebte Abkürzung durchs Land ermöglichen.
Objektsteckbrief
Projekt: Neubau einer 5. Schleusenkammer im Nord-Ostsee-Kanal bei Brunsbüttel
Nutzlänge: 330 Meter
Breite: 42 Meter
Drempeltiefe bei
Normalhöhennull: 14 Meter
Bauherr: Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Brunsbüttel
Objekt- &
Tragwerksplanung,
Bauoberleitung &
-bewachung: WTM Engineers GmbH, Hamburg
Bauausführung: ARGE Neubau 5. Schleusenkammer Brunsbüttel
(Wayss & Freytag Ingenieurbau AG, Hamburg; Wayss & Freytag Spezialtiefbau GmbH,
Düsseldorf; Bam Civiel, Gouda, Niederlande)
Zement: Diverse CEM III Zemente, insgesamt ca. 35.000 t
Dichtwandmasse: Diverse DiWa-mix, ca. 15.000 t, HeidelbergCement AG
Lieferwerk: HeidelbergCement AG, Werk Ennigerloh
Fertigstellung: Voraussichtlich Ende 2020
Weitere Informationen: HeidelbergCement AG | © Fotos: HeidelbergCement AG
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