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Ferngesteuerte Cat Raupe D6N im Einsatz

Kampfmittelbeseitigung von Geisterhand

Wittstock, 23.05.2016 - 40 Jahre lang war sie ein Abwurfplatz für Bomben des russischen Militärs – alleine der Name für das Gelände „Bombodrom“ spricht für sich. Seit Ende des Kalten Krieges lauern tausendfach Blindgänger auf der Kytitz-Ruppiner Heide, eine der größten zusammen-hängenden Heideflächen Europas, im Nordwesten von Brandenburg im Landkreis Ostprignitz-Ruppin.


Bauforum24 Artikel (02.09.2015): Cat D7E Dozer mit dieselelektrischem Antrieb und Stufe IV


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Unternehmer Torsten Stascheit (Zweiter von links hinter dem Schild) mit seinem Team und Miet-stationsleiter Dirk Fuhrmann links neben ihm sowie Robert Gellert, Serviceleiter, dahinter

Damit der Wald die Heidefläche nicht komplett verdrängt, das Heidekraut sich besser regenerieren kann und die enorme Artenvielfalt mit 79 Vogelarten, darunter Wiedehopf, Brachpieper und Seeadler, erhalten bleibt, müssen jedes Jahr 50 bis 150 Hektar von dem Fauna-Flora-Habitat-Gebiet kontrolliert abgebrannt werden. Um zu verhindern, dass sich das Feuer zu weit ausbreitet, wird von der Stascheit Kampfmittelräumung GmbH aus Gardelegen ein Netz aus Brandschutzstreifen angelegt. Das Abschieben des Bodens dafür übernimmt ein ferngesteuerter Cat Kettendozer D6N. Er wird von einem Sicherheitsabstand aus tausend Metern Entfernung via Monitore und Joystick in einem Begleitfahrzeug der Stascheit Kampfmittelräumung GmbH bewegt. "In diesem konkreten Fall stellte der Auftrag ganz spezielle Anforderungen an die Maschinentechnik, um kein Menschenleben zu gefährden“, erklärt Geschäftsführer Torsten Stascheit. 


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Kameras auf dem Kabinendach erfassen die komplette Arbeitsumgebung

Doch bislang war keine ferngesteuerte Baumaschine erforderlich. Bevor die Raupe in den Mieteinsatz gehen konnte, wurde sie von Servicemitarbeitern bei Zeppelin Baumaschinen in der Niederlassung Magdeburg für diesen Einsatz ausgerüstet. Zusammen mit der Abteilung Customizing wurde der Umbau verwirklicht, der eine absolute Premiere darstellt. „So einen Umbau und so einen Eingriff in das CanBUS-System der Maschine realisiert man nicht alle Tage“, meint Robert Gellert, Serviceleiter der Niederlassung Magdeburg. Da alle Bedienelemente in diesem Dozer auf elektronischer Basis funktionieren, mussten keinerlei Hydraulikschläuche angefertigt oder umgebaut werden. Somit greift die Steuerung ausschließlich in die Elektronik des Maschinencontrollers ein (PWM 500Hz). Für jedes Bedienelement wurde eine Platine mit entsprechender Software installiert, sodass es für den Maschinencontroller keinen Unterschied macht, ob nun der Joystick der Maschine oder der Joystick an der Fernbedienung die entsprechende Funktion ansteuert. Dazu musste man sich Schritt für Schritt vortasten, um beispielsweise ein weiches Anfahren und Anhalten der Maschine zu realisieren.

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Im Begleitfahrzeug steuern  die Mitarbeiter Tobias Schulze und Maik Bothe im Wechsel die Baumaschine, quasi wie von einer Computerkonsole aus

Um die Fernsteuerung bei der Raupe in die Tat umzusetzen, wurde die Firma Cavotec ins Boot geholt, die sich auf die Steuerung von Hochbaukranen spezialisiert hat. Cavotec stellte die entsprechenden Antennen für den Umbau zur ferngesteuerten Raupe bereit. Damit sich die Funksignale nicht in die Quere kommen und es keine Überlagerung der Funkfrequenz von 433 Hertz gibt, wurden zwei Antennen verbaut – eine vertikale und eine horizontale. In der Heide wurde dann ein zehn Meter hoher Funkmast mit 900 Megahertz aufgestellt, der alle Raupensignale, wie zum Beispiel Videosignale und Positionsdaten, an die Kommandozentrale, welche außerhalb der rund 30 Quadratkilometer großen Bearbeitungsfläche liegt, überträgt. Alleine die vier Kameras auf dem Kabinendach des Kettendozers weisen auf eine besondere Form der Überwachung und eine Kommandozentrale hin, wie sie nicht alltäglich für eine Baumaschine ist. Kamera eins zeichnet den Bereich nach vorne auf, Kamera zwei und drei die Ecken des Raupenschilds und Kamera vier den Ripper, der schweres Wurzelwerk aus dem Boden reißt. Eine fünfte Kamera überträgt die Daten der Armaturentafel der Kabine. Alle Kameras erfassen die komplette Arbeitsumgebung, anhand derer die Mitarbeiter Tobias Schulze und Maik Bothe im Wechsel die Baumaschine, quasi wie von einer Computerkonsole aus, in einem Begleitfahrzeug bewegen, nach vorne und rückwärts fahren lassen können. „Ich bin noch nie zuvor auf einer Raupe gesessen, doch das ist auch gut so, denn wer hier entsprechende Erfahrung hat, würde komplett anders reagieren.

In diesem Fall sind jedoch mehr Fähigkeiten wie beim Umgang mit einer Playstation gefragt“, so Tobias Schulze. Er braucht einen dicken Daumen, wenn er den Joystick lenkt und muss sich auf den Zeitverzug der Datenübertragung von einer viertel Sekunde einstellen, was sich auf das Reaktionsvermögen der Baumaschine auswirkt. Überwacht wird die Baumaschine zusätzlich in einem Container via Computerbildschirme auf denen die bereits zurückgelegte beziehungsweise noch abzufahrende Wegstrecke der Raupe angezeigt wird. Jede Position der Baumaschine wird aufgezeichnet und deren Daten dann gesendet. Doch die Heide bietet ein schlechtes Funknetz. Darum installierte die Stascheit Kampfmittelräumung GmbH ein eigenes Datenfunknetz, um bewegte Bilder und Videos der Raupe auch gleich in den Container zu übertragen. Alle Bilder, die aufgezeichnet werden, dienen Tobias Schulze und Maik Bothe, sich zu orientieren, wenn sie aus tausend Metern Abstand das 19 Tonnen schwere Arbeitsgerät den Heideboden samt drei Meter breitem Sicherheitsstreifen abschieben lassen. Dabei kommt eine GPS-Steuerung zum Einsatz.


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Im Einsatz hält das Begleitfahrzeug rund 1000 Meter Sicherheitsabstand zum ferngesteuerten Dozer

Die Heide wurde im Vorfeld komplett vermessen und entsprechende Wegepunkte wurden gesetzt, welche der exakten Positionierung der Baumaschine dienen. Anhand der Bildschirme und der Korrekturdaten sehen Tobias Schulze und Maik Bothe, wie sie die Raupe auf dem Gelände manövrieren müssen. Diese Aufgabe ist hochriskant. Weitere Vorsichtsmaßnahmen waren beziehungsweise sind darum für den Baumaschineneinsatz unumgänglich. Mit einer Platte aus Hardox-Stahl sind der Kühler sowie der darunter liegende Motor zusätzlich geschützt. Fachleute der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vermuten auf dem Areal  nicht nur herkömmliche Bomben und Granaten, sondern auch die hoch explosiven und seit dem Osloer Abkommen international geächteten Streuwaffen wie Kugelbomben. Diese enthalten rund hundert Stahlkugeln mit jeweils hundert Gramm Sprengstoff und könnten im schlimmsten Fall mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1 200 Metern pro Sekunde detonieren.

Die sowjetische Armee wollte deren Wirkung auf Flugzeuge testen, die in eigens errichteten Hangars ausrangiert worden waren und auf dem Gelände abgestellt wurden. Auf etliche Kugelbomben ist man in der Kyritz-Ruppiner Heide bereits gestoßen und konnte sie unschädlich machen, bevor sie ihre verheerende Wirkung entfalten konnten. Doch die Dunkelziffer ist hoch – wie viele dieser Kampfmittel damals abgeworfen wurden und nicht detonierten, weiß niemand so genau. Auf sie könnte die Raupe also jederzeit treffen, wenn sie das Material mit ihrem 3,4 Meter breiten Schild in bis zu 20 Zentimetern Tiefe für den Brandschutzstreifen auf einer Länge von 68 Kilometern abträgt. Der äußere Ring des Brandschutzstreifens muss auf fünf Meter Breite und der innere Ring auf drei Meter Breite angelegt werden. Das Zeitfenster beträgt für diese Arbeiten mehrere Wochen. 3,4 Kilometer an Tagesleistung wurden kalkuliert.

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Mit einer Platte aus Hardox-Stahl sind der Kühler sowie der darunter liegende Motor zusätzlich geschützt

„Wir müssen uns akribisch vorarbeiten. Wichtig ist es, dass wir die vorgesehene Fläche sauber abschieben. Das kostet Zeit, aber in diesem Fall geht Qualität vor Quantität“, so Torsten Stascheit. Ist der Sicherheitsstreifen angelegt, wird noch mal akribisch alles nach Munition abgesucht. Sicherheit hat oberste Priorität – erst wenn fest steht, dass der Boden von Blindgängern befreit ist, darf die Fläche kontrolliert in mehreren Schritten abgebrannt werden. Danach wird noch einmal das Gelände nach Munition abgesucht. Keiner will hier ein unnötiges Risiko eingehen. 2020 soll die Gesamtmaßnahme abgeschlossen sein. Hat die Raupe ihre Aufgabe in wenigen Wochen erledigt, wird sie im Anschluss zurückgebaut. Die Fernsteuerung behält die Stascheit Kampfmittelräumung GmbH, um so für ihren nächsten explosiven Auftrag gewappnet zu sein.

(© Fotos: Zeppelin Baumaschinen GmbH)


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