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Userkratie statt Demokratie? Professor Dr. Norbert Bolz referiert auf der NordBau 2011 über Auswirkungen von Internet und sozialen Netzwerken auf Politik, Wirtschaft und damit auch auf die Baubranche.

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Das Internet hat die Welt auf den Kopf gestellt. Begriffe wie Blog, Community und Flashmob trennen dabei nicht mehr nur Generationen, sondern auch ganze politische Systeme von einander. Die Revolutionen im arabischen Raum wären ohne soziale Netzwerke völlig anders verlaufen. Doch wer bei Internet nur an Demokratisierung in fernen Staaten denkt, betrachtet nicht die volle Breite der Veränderungen. Denn auch die Demokratien und Marktwirtschaften in Europa und Amerika verändern sich nachhaltig und das in rasantem Tempo. Was diese Entwicklung neben Beispielen wie Stuttgart21 auch für die Zukunft der Wirtschaft und Bauwirtschaft bedeuten kann, referiert Professor Dr. Norbert Bolz vom Lehrstuhl Medienwissenschaften an der Technischen Universität Berlin. Auf der Einführungsveranstaltung zur NordBau 2011 in Neumünster spricht er besonders das anwesende Publikum aus Entscheidern der Bauwirtschaft und Politik
mit seinem Vortrag an.

Das allen Gästen seines Vortages bekannte Phänomen um Stuttgart21 anzuführen, macht den Zuhörern direkt eines deutlich: der neue Bürger ist nicht nur der oft beschriebene Wutbürger, sondern zugleich auch Netzbürger. Das für Politik und Wirtschaft durchaus unbequeme Auftreten selbst bürgerlicher Schichten, nutzt Professor Bolz zur Veranschaulichung der Reichweite sozialer Netzwerke in die Realität hinein. Auch die jüngsten Ausschreitungen in London führt er als Beispiel an. Denn die entscheidende Gemeinsamkeit beider Erscheinungen ist trotz immenser Unterschieden vor allem eines: sie organisieren sich über das Internet in sozialen Netzwerken. Damit hat Professor Bolz sich die volle Aufmerksamkeit für seine Analyse aus wissenschaftlichem Standpunkt gesichert.


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Im Rampenlicht: Professor Dr. Norbert Bolz vor Vertretern aus Politik und Bauwirtschaft über
soziale Netzwerke im Internet: ?...man muss sich darauf einlassen
".

Den Bezug von handfesten Geschehnissen mit der Internetwelt herzustellen, eröffnet Medienwissenschaftlern ein neues Kapitel der Sicht auf die mediale Revolution Internet. Professor Bolz schneidet in seinem Vortrag vor allem die soziologische Seite dieser Medienwelt an, nimmt sich den Einfluss des Mediums Internet auf das soziale Verhalten der Menschen vor. Dafür geht er neben der polarisierenden Veranschaulichung durch Stuttgart21 auch auf deutlich leisere Veränderungen ein. Beispiel Automobilbranche: namhafte Autohersteller nutzen nach seinen Angaben die sozialen Netzwerke und Fancommunities, um schon in der frühen Produktentwicklung Kontakt und Feedback der zukünftigen Kunden zu suchen. Der Kunde, im Englischen der Consumer, wird also durch die Berücksichtigung seiner Meinung auch zum Produzenten, englisch Producer. Der so entstandene ?Prosumer", den Professor Bolz beim amerikanischen Futurologen Alvin Taffler entleiht, gehört mittlerweile als eine Symbiose beider Seiten zu den modernen Produktionsprozessen. Damit ist von Professor Bolz auch die Rolle der Kultur von sozialen Netzwerken für die Wirtschaft konkret angesprochen.

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Große Namen: Ministerpräsident Peter Harry Carstensen zwischen Holstenhallen
Geschäftsführer Dirk Iwersen (1.v.r.), Matthias Boxberger, Vorstand Netz der E.ON
Hanse AG
(3.v.r.), und Wolfgerd Jansch, dem Messechef der NordBau (4.v.r.).

Dieser Internetkultur und ihrer Prinzipien des Teilens, Verschenkens und Verknüpfens, widmet Professor Bolz sich ausführlicher. So gehört für ihn einerseits das Sharing von Inhalten auf kostenloser Basis und andererseits die Verknüpfung dieser Elemente zu langen Informationsnetzen zu dem, was das Internet für den aktiven User ausmacht. Als einem der erfolgreichsten Konzepte dieser Grundlage fühlt Professor Bolz dem Wiki-Format auf den Zahn. Gemäß dem Grundsatz ?Alle sind klüger als jeder" wird so das Expertentum in Frage gestellt. Besonders Ärzte haben diesen Effekt früh kennengelernt, indem User sich vorab über ihre mögliche Krankheit online informieren und mit deutlich gesteigertem Eigenanteil eine Behandlung mitgestalten wollen. Wenn Professor Bolz auch einschränkt, dass "kein Blog [...] so gut formuliert und so objektiv wie die FAZ" sei, so spricht er der Masse der User durch das gemeinsame Interesse an Wissen aber eine Selbstkontrolle zu, welche Fehlinformationen zumindest in populären Artikeln auf redaktionellem Niveau ausmerzt. Was für Professor Bolz trotzdem merklich fehlt, ist die nachvollziehbare Quelle einer Information - welche im Wiki Format letztlich durch sehr viele Köpfe und Tastaturen gegangen ist.

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Fachpresse und Vertreter der Bauindustrie hören dem Vortrag von Professor Bolz zu.

Ein Grundphänomen ist für Bolz, dass Wissen zunehmend kostenlos abrufbar ist. Das Monopol der Information beim Experten sieht Professor Bolz damit, wie im Beispiel des Arztes, gebrochen. Die Reaktion auf diese "Kränkung des Experten" besteht für ihn jedoch nicht in einer Abkehr, sondern ?Umarmung" des neuen Informationsriesen aus Blogs und Communities. Journalisten und andere Experten nutzen also zunehmend einfach selber die Onlineformate und Strukturen der Informationsverbreitung von Facebook, Wikipedia und Co. für eigenen Inhalte, um große Leserschaft für ihre Beiträge zu haben. Denn die großen Verlage stellen sich laut Bolz damit sogar auf Zeiten ganz ohne Printmedien wie Zeitungen und Magazine ein. Damit ist nicht nur der Wechsel zum neuen Medium Internet wohl endgültig eingeleitet, sondern auch ein marktwirtschaftlich gefärbter Wettbewerb ? als Liberalismus der Information bezeichnet - ausgebrochen. Während die Verlage nach Wegen suchen, ihre kostenintensive Arbeit gegen die kostenlose Wikimentalität aufzustellen, zählen die Gründer von Facebook oder Google zu den reichsten Menschen der Erde. Der wirtschaftliche Erfolg muss also mit dem Einfluss auf das soziale Verhalten großer Usermassen in der Realität zusammenhängen. Wer ein Hotel oder einen Urlaub bucht, tut dieses meist nach Überprüfung von Bewertungen anderer User, so ein Ansatz von Professor Bolz. Wer eine Information braucht, wird in Suchmaschinen schnell und unkompliziert bedient. Im Unterschied zu den reinen Suchmaschinen, werden weitergegebene Informationen in sozialen Netzwerken zusätzlich noch mit dem Vertrauen gegenüber Onlinefreunden aufgewertet.

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Aufmerksamkeit bis zur letzten Reihe: Professor Bolz referiert auf der Einführungsveranstaltung
der NordBau 2011 vor Vertretern aus Politik, Bauwirtschaft und Fachpresse.

Doch die Informationen hinter dem Beispiel der Hotelbewertungen, haben ihren Ursprung in der Freude der User am Bewerten, meist durch ein 5-Sterne Bewertungssystem. In dieser Lust sieht Professor Bolz sogar die These von der oft diagnostizierten Politikverdrossenheit der Internet-Generation widerlegt. Denn Bewertung ist für ihn auch Teilnahme am sozialen Leben und somit eine Äußerung politischer Meinung. Dieser Weg ist ein völlig anderer als der gewohnte bei parlamentarischen Wahlen. Wie die westliche Demokratie damit in Zukunft umgehen wird, lässt er jedoch offen. Eines wird aber mehr als deutlich: für Professor Bolz ist auch unsere eigene Gesellschaft in nahezu allen Bereichen von der Medienrevolution einer neuen Internetkultur erfasst. ?Man muss sie beherrschen, man muss sich darauf einlassen und ohne Vorurteil ihre Möglichkeiten nutzen", appelliert der Professor für Medienberatung der TU Berlin an die geladenen Zuhörer aus Politik, Bauindustrie und Presse. In anderen Worten: wer nicht in den neuen Medien vertreten ist oder die eigene Präsentation online vernachlässigt, kann User und damit potentielle Kunden nicht im zukunftsgestaltenden Umfeld sozialer Netzwerke erreichen. Damit schließt Professor Bolz den Kreis zu den eingangs aufgegriffenen Beispielen wie Stuttgart21 und dem arabischen Frühling und macht über anschauliche Beispiele sowohl die weltpolitische, als auch wirtschaftliche Bedeutung der vernetzten Usermasse für die Baubranche deutlich.

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Zur Bauforum24 Berichterstattung zur NordBau 2011


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Weitere Infos: Prof. Norbert Bolz - Studiengang Medienberatung TU Berlin

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Bauforum24 TV Video: VDBUM Seminar 2009 mit Prof. Norbert Bolz über den modernen Kunden

(von T. Hetzler. Fotos: Bauforum24)

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